Meldeadresse: Digitale Nomaden gegen den Amtsschimmel

Wer digitaler Nomade ist – also einen nomadischen Lebensstil pflegt, dem werden in Deutschland gleich eine ganze Reihe von Knüppeln zwischen die Beine geworfen.

meldeadresse

Das deutsche Meldegesetz

Einer dieser Knüppel ist das deutsche Meldegesetz. Dieses sieht ganz einfach nicht vor, dass Menschen häufig ihren Wohnort wechseln. Von einem mobilen Office will ich gar nicht erst anfangen. Wer schon einmal das eine oder andere Beamtengespräch über ortsunabhängiges Arbeiten geführt hat, weiß: Computer says no!

Zum Glück gibt es fantastische Dienstleister, wie zum Beispiel Dropscan. Wenn die Eltern oder die virtuelle Assistentin sich weigern, deine gesamte Post einzuscannen, springt Dropscan ein. Dort bekommst du eine Postfach-Adresse in Berlin, an welche du deine gesamte Post schicken lassen kannst. Diese wird dann für dich eingescannt und du kannst sie jederzeit online abrufen.

Ein ausführliches Podcast Interview mit dem Gründer von Dropscan findest du hier.

Als Meldeadresse taugt deine Dropscan-Adresse jedoch leider nicht, und hier beginnen dann auch schon die Probleme. Es wird erwartet, dass du an deiner Meldeadresse wohnhaft bist. In einem Scanner kann man nicht wohnen.

Dein Briefkasten braucht Aufmerksamkeit

Offizielle Post, wie zum Beispiel vom Amtsgericht oder vom Finanzamt, geht grundsätzlich an deine Meldeadresse. Da hilft auch kein Nachsendeauftrag, denn die Amtspost wird von Amts wegen nicht weitergeleitet. Wer einen netten Steuerberater hat, der zumindest die Post vom Finanzamt entgegennimmt, ist hier im Vorteil.

Fakt ist: Du musst laut Meldegesetz sicherstellen, dass am Briefkasten deiner Meldeadresse auch dein Name steht und dort regelmäßig jemand für dich nachschaut. Dieser jemand ist im Zweifel du selbst.

Besonders wichtig wird dies für deine Geschäftsadresse. Auch und vor allem hier muss sichergestellt sein, dass Amtspost dich zeitnah erreicht. Du bist verpflichtet, zu reagieren. Wenn nicht, kann das böse Konsequenzen haben.

Ein Problem tritt auf, wenn Firma Müller noch 2 Euro Fünfzig von Dir bekommt (und du dies vergessen hast) und Firma Müller deine aktuelle Adresse nicht hat. Firma Müller ist sauer und will die 2 Euro Fünfzig nun mit Hilfe eines Inkassobüros eintreiben. Das Inkassobüro ermittelt deine Meldeadresse über das Einwohnermeldeamt. Der Inkasso-Brief erreicht dich nicht. Schwuppdiwupps sind aus 2 Euro fünfzig schnell mal 250 Euro geworden. So oder so ähnlich kann es laufen.

Zudem sind Nachsendeaufträge mit Vorsicht zu genießen. Sich 100prozentig auf diesen zu verlassen ist nicht ratsam. Ich habe schon viele Nachsendeaufträge gestellt und immer wieder wurden Briefe nicht weitergeleitet.

Es gibt einfach keine ideale Lösung

Eine Meldeadresse ist in Deutschland zwar grundsätzlich nur Pflicht, solange man auch in Deutschland wohnhaft ist. Du kannst dich also z.B. vor einer Weltreise einfach abmelden und bekommst dann einen entsprechenden Stempel in deinen Personalausweis. „Keine Hauptwohnung in Deutschland„.

Wenn man sein Business in Deutschland betreibt (so wie vermutlich auch du), dann wird es aber schon bereits wieder schwierig. Hier muss definitiv eine Adresse her. Und in Deutschland ein Geschäft hat, bei dem wird davon ausgegangen und erwartet, dass er auch in Deutschland gemeldet ist oder zumindest Post empfangen kann.

Die Katze beißt sich hier gewaltig in den Schwanz. Quasi eine richtige Sadomaso-Katze.

Ein Blick nach Osten: Schlimmer geht immer

Westeuropäische Besucher rümpfen ein wenig die Nase, wenn sie für mehrere Monate nach Berlin kommen. Originalton: „What… I have to register my adress here? That is creepy!“

Langzeit-Besuchern aus östlicheren Ländern ist dieses Prinzip vertrauter. Vor allem in asiatischen Ländern sind sie weit verbreitet: Die umfassenden Melderegister. In China nennt man dieses Register „Hukou„. In Nordkorea heißt es „Hoju“ und in Vietnam „Ho Khau“.

Das Hukou wurde in China zu Maos Zeiten eingerichtet, um maximale Kontrolle über die Bevölkerung zu erlangen. In sogenannten „Hukou-Büchern“ wurde eingetragen, wo ein jeder Mensch geboren wurde.

Der Geburtsort war somit zwangsläufig als Wohnort festgelegt. Wer seine Heimatprovinz verlassen wollte, musste dies bei der Provinzregierung beantragen – und das wurde in den meisten Fällen abgelehnt.

Man war dazu verdammt, an seinen Geburtsort gefesselt zu sein.

In der Mao-Ära war die strenge Aufenthaltskontrolle der Menschen ein zentraler Bestandteil der Kontrolle über die Bevölkerung.

Im zugeordneten Wohnbezirk zu leben war Voraussetzung für absolut alles Lebensnotwendige. Essen und andere Konsumgüter bekam man nur in seinem Heimatort zugeteilt. Woanders gab es nix.

Auch wenn die Regeln stark gelockert wurden, das Grundgerüst des Hukou besteht in China bis heute. Zugang zu staatlichen Gesundheitsleistungen bekommt ein Chinese z.B. nur an seinem Heimatort. Auch arbeiten darf er/sie meist nur mit Genehmigung in einer anderen Stadt.

Ein großes Problem für die zahlreichen Wanderarbeiter in den Boom-Städten. Wenn sie sich z.B. ein Bein brechen, müssen sie zurück in die Heimatprovinz, um Hilfe zu bekommen. Auch ihre Kinder müssen sie in der alten Heimat zurücklassen, damit diese dort in die Schule gehen können.

Stell Dir einmal vor, die könntest nur in deinem Geburtsort deine Krankenversicherung in Anspruch nehmen oder zur Schule gehen? Byebye Nomadenleben.

Ein Beispiel: Im chinesischen Guangzhou leben weit über drei Millionen Menschen. Nur in etwa eine Millionen davon sind auch dort geboren. Alle anderen Bewohner sind durch das Hukou an ihren Geburtsort gebunden, und bekommen in Guangzhou deutlich weniger Leistungen vom Staat zugesprochen, was Gesundheit und Bildung angeht. Verrückt, oder?

Okay… ich möchte das Hukou nicht wirklich mit dem deutschen Meldewesen vergleichen. Ganz so schlimm ist es bei uns ja doch nicht (Achtung, leichte Ironie). Tatsache ist aber: Der deutsche Staat schnarcht mal wieder vor sich hin, während sich die gesellschaftliche Realität zur Zeit rasend schnell verändert.

Ganz offensichtlich herrscht in anderen Ländern ohne Meldewesen (USA, Großbritannien, Frankreich, Irland) auch keine totale Anarchie. Menschen können nach wie vor verklagt werden, gefunden werden, gezählt werden. Irgendwie scheint das alles zu gehen.

Wie könnte die Lösung aussehen?

Wäre eine E-Mail-Meldeadresse heutzutage nicht viel zeitgemäßer? Nennen wir sie einfach einmal „Maildeadresse“. Für offizielle Amtspost. Meinetwegen mit Pflicht, diese wöchentlich zu prüfen. Ob die sogenannte De-Mail so etwas einmal leisten könnte, weiß ich nicht. (Lobos tl;dr hierzu lautet jedenfalls De-Fail.)

Für all jene, die noch hinterm Mond leben oder aus irgendwelchen Gründen keinen Computer benutzen können, könnte man ja einen Postservice einrichten, der die Post, welche an die Melde-Emailadresse geht, ausdruckt und postalisch zustellt.

Nicht die Vorreiter und Innovatoren unter uns (z.B. die digitalen Nomaden) sollten hier die Dummen sein. Vielmehr sollte man einen Zugang zum Netz voraussetzen können oder die Schlafmützen ein wenig benachteiligen. Das Finanzamt macht das schließlich bereits schon lange. Steuerformulare sind heute online zu übermitteln. Postalisch werden diese nur noch in Ausnahmefällen erlaubt.

Zudem wandelt sich der Arbeitsmarkt zur Zeit enorm. Sichere Jobs gibt es nicht. Viele Menschen erkennen, dass die „sichere Festanstellung“ im Grunde ein schlechter Scherz ist, und man in Zukunft nur überlebt, wenn man eigenverantwortlich handelt. Dieser Prozess wird sich zweifelsohne immer weiter verstärken.

Zum Überlebensnotwendigen gehört ganz klar Mobilität. Das wird nicht von heute auf morgen Jeden betreffen, aber zumindest all jene, die oben auf der Welle mitsurfen möchten. Und diesen Menschen sollte man keine Stöcke zwischen die Beine schmeißen.

Der Staat zwingt mich als selbstständigen Unternehmer ohne Ortsbindung, eine Adresse anzugeben, obwohl ich eben jene physische Adresse nicht mehr zwingend benötigen würde. Mir fällt kein logischer Grund ein, warum dies noch nötig wäre. Kennst du vielleicht einen guten Grund? Ich bin mir sicher, ich kann ihn entkräften.

Dank Dienstleistern wie Dropscan erreicht mich nun ein Großteil meiner mittelwichtigen Post relativ zuverlässig. Aber eben nicht alles: Wie oft habe ich mich in meinem leben schon umgemeldet. Wie oft hat mich wichtige Post nicht erreicht. Trotz Scanservice und Nachsendeauftrag… Ich bin müde. Ich will eine Maileadresse. Die ist virtuell und bleibt für immer gleich. Wann kann ich so etwas bekommen, Mutti?

Die wichtigsten Tricks

…um trotz Meldepflicht halbwegs viel Freiheit zu genießen:

kennst du noch andere Dienstleister, die man empfehlen kann, um trotz mobilem Office Herr über den Briefverkehr zu werden? Lass es mich wissen, gerne nehme ich diese hier mit auf.

Autor

  • Tim beschäftigt sich seit 2012 mit den Themen ortsunabhängiges Arbeiten und digitales Unternehmertum. Er verdient sein Geld als Architekt, Buchautor und Berater für Neues Arbeiten und digitale Transformation. Zudem ist er Gründer des Citizen Circle. Auch wenn Tim viel und gern unterwegs ist: Sein Zuhause ist zur Zeit die Stadt Chiang Mai im Norden Thailands.