Starter Fortgeschritten

„Ich habe mich entschieden Architekt meiner Realität zu werden.“

Wir haben das alle vielleicht schon einmal gehört: Mit deinen Gedanken formst du dein Leben. Aber was bedeutet das genau? Was bedeutet das für deine Gewohnheiten? Was bedeutet es, um es groß zu denken, für dein Schicksal? Und welchen Einfluss haben die Gedanken- und Glaubenssätze auf deine gegenwärtige Realität?

Wie beeinflusse ich aktiv meine Welt?

Tief in mir drin – Sehnsucht. Wonach? Nach einem Leben, wie ich es gern hätte. Wie ich es mir erträume. Ich träume von dem, was meine Sehnsucht mir erzählt.

Eine andere Stimme in mir: “Träumen ist was für Tagträumer. Realitätsfern. Realitätsflucht. Komm lieber endlich mal an. Binde dich an einen Ort, such dir einen normalen Job, baue ein Haus, bekomme Kinder.”

Und der andere Teil sagt wieder: Ich träume lieber noch.

Warum steht da das Wort „noch“ mit drin? Muss das irgendwann aufhören? Wie oft habe ich den Satz gehört „Genieß deine jungen Jahre, das sind die besten, die du haben wirst.“ Was ist das bitte für ein Glaubenssatz? Kann ich das nicht selbst entscheiden? 

Muss ich jetzt verkrampft genießen, jeden Tag springend und glücklich himmelhochjauchzend durch die Kante laufen? Und dann in 10, 15 Jahren genauso diesen Glaubenssatz an die jüngere Generation weitertragen? Weil ich mir mein Leben nicht so gestalte, dass es mich vollkommen ausfüllt, egal, wie alt ich bin? Was ist später denn anders als in den jungen Jahren? Sollte uns unser Leben nicht jeden Tag erfüllen und glücklich machen? 

Ich frage mich wieder: Was ist träumen? Wie geht das? Ist das vielleicht sogar „sinnvoll“? Stimmt es, dass ich mit Träumen vielleicht sogar meine Realität „manifestieren“ kann? Stimmt es, wenn so viele sagen:

  • Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.
  • Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.
  • Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
  • Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
  • Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal. (Talmud)

Vielleicht ist träumen gar nicht so sinnlos. Und ein Teil von mir will lernen zu träumen und ein anderer hält nichts von diesem esoterischen, verspielten, kindischen Teil.

Dieser Teil will handfeste Beweise dafür, was Realität sein soll. Und diese Realität möchte ich dir anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse kurz erläutern bzw. zeigen. 

Wissenschaft und Glaubenssätze

Was sagt die Wissenschaft zu Realität und unserer Wahrnehmung auf sie? Prof. Anil K. Seth, Kognitionsforscher an der Universität von Sussex, formuliert dazu unter anderem folgende Aussage:

Die Realität, die wir wahrnehmen, ist kein unmittelbares Abbild der objektiven Außenwelt.*

Prof. Anil K. Seth


(Auf Basis der genannten Quelle: eigene Darstellung)

Wenn wir davon ausgehen, dass es also diese „objektive Außenwelt“ gibt, ist sie nicht die Realität, die jeder einzelne von uns wahrnimmt. Das bedeutet, was wir generell wahrnehmen ist sehr unobjektiv, um es mal milde zu formulieren.

Allerdings folgt daraus jetzt nicht, dass nichts real bzw. objektiv wahrnehmbar ist. Ein bekannter Wissenschaftler aus dem 18. Jahrhundert, John Locke, unterteilte die Qualitäten eines Objektes in „primäre“ und „sekundäre“. 

Primäre Qualitäten, wie Festigkeit und Raum, existieren unabhängig davon, von welcher Person sie wahrgenommen werden, sind also quasi objektive Wahrnehmungen

Sekundäre Qualitäten, wie z.B. Farbe, gibt es nur durch den Betrachter. Das trifft auch die neurologischen Erkenntnisse über das Auge: Farben entstehen durch elektromagnetische Strahlung, die erst in unserem Gehirn zu Farben umgewandelt werden.

Das heißt, außer den primären Qualitäten, wie Form und Festigkeit, ist der Rest des beobachteten Objektes ziemlich variabel in unserer Wahrnehmung. Professor Anil K. Seth geht sogar so weit dabei von „kontrollierter Halluzination“ zu sprechen. Wir denken uns quasi etwas zu dem Wahrgenommenen aus. Im Laufe unseres Lebens aber gleichen wir diese „kontrollierten Halluzinationen“ (Gott sei dank?) mit der „objektiven Außenwelt“ ab:

„Durch Abweichungen von […] [erwarteten] Prognosen korrigieren wir laufend uns Weltbild. Wahrnehmung beruht somit auf einer kontrollierten Halluzination.“

Prof. Anil K. Seth

Ich finde, das ist ein richtiger Knüller und man kann das einfach mal so stehen und auf sich wirken lassen.

Es geht darum, die eigenen Glaubenssätze zu erkennen

Das heißt: Wir leben unser Leben eigentlich auf Basis von Prognosen, die unser Hirn macht. Unsere Wahrnehmung ist immer eine Mischung aus dem, was wir im gegenwärtigen Moment objektiv wahrnehmen, gekoppelt mit dem, was unser Hirn prognostiziert. 

Diese Prognosen sind Erfahrungen aus unseren früheren Lebensjahren. Man kann quasi sagen, dass diese Prognosen unsere Glaubenssätze sind. Mit unseren Glaubenssätzen machen wir in jedem Moment eine Prognose auf den gegenwärtigen Moment.

Und damit reproduzieren wir quasi die Erfahrungen aus unseren früheren Lebensjahren konstant in unsere Gegenwart. Wahrnehmung ist also, um es noch mal verdeutlichend zu sagen, die Kombination aus dem gegenwärtigen Moment und unserer Prognosen.

Und wenn ich mir das bewusst mache und lese, schreit etwas in mir empört auf: “Ich möchte meinen Vorhersagen, bzw. Glaubenssätzen aber nicht folgen! Ich möchte neue Erfahrungen ohne meine Glaubenssätze machen!”
Was jetzt?

Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als sehr genau hinzuhören und hinzuspüren, was mir meine Wahrnehmung so regelmäßig vorgaukelt. Warum? Um andere Erfahrungen zu machen, als bisher.

Ich denke, es ist kein Zufall, dass zusammen mit der Etablierung von neurowissenschaftlicher Forschung parallel seit einigen Jahren die ostasiatische Kultur mit Yoga, buddhistischer Selbstermächtigung und Meditation bei uns Einzug erhalten hat. 

Ob du nun jahrelang meditierst, viele Stunden Coaching oder Therapie machst oder dich ausgiebig mit deinem Körper und deiner neuronalen Struktur beschäftigst, am Ende sind das unterschiedliche Herangehensweisen an ein und dieselbe Message:
Deine Realität entsteht in dir. 

Du kannst deine Welt verändern

Und wieder zurück von der wissenschaftlichen Perspektive: Was bedeutet das für mein Leben?

Während ich hier sitze, baue ich. Baue meine Realität. Erst in Gedanken, die zu Gefühlen werden. Die Gefühle formen das Außen – wie es in den Wald schallt, schallt es hinaus. Ich kann entscheiden, welche Gedanken ich denke und daraufhin welche Gefühle ich fühle. 

Und die Außenwelt erscheint dann in dem jeweiligen Licht. So einfach. Und so komplex. Weil die Gedankenschleifen, in die jede:r Einzelne sich verfängt, sehr subtil entstehen. Und damit kaum merklich unsere Gegenwart formen.

Gibt es gerade jemanden, der dich aktuell nervt? Triggert?

Und würdest du sagen, das liegt an der Person an sich?

Und glaubst du, dass das wirklich so ist? Liegt es nicht vielmehr auch daran, dass die Person durch ihre Art etwas in dir triggert, was du schon seit deiner Kindheit in dir trägst? Dass die Person etwas in dir hervorholt, eine Geschichte aus deinem bisherigen Leben zum Beispiel? Etwas, das dir vielleicht verboten wurde oder etwas, unter dem du früher gelitten hast?

„Das geht zu weit. Es ist ganz klar, dass xyz daran schuld ist, dass ich mich jetzt ärgere. Das Verhalten geht einfach gar nicht“

Ja, das ist unsere Art, die Welt zu sehen. Ich denke, das Verhalten der Person ist nur unser Spiegel. Sie zeigt auf das, was Teil unseres Seelenlebens ist. Ich persönlich habe eine Zeit gebraucht, um das in der Tiefe so zu spüren. 

Ich sage bewusst „spüren“, weil man da in diesem Prozess mit dem Kopf nur eingeschränkt vorankommt. Unser Ego wehrt sich. Es will keine schlechten Gefühle fühlen. Deswegen argumentieren wir mit Schuld.

Wenn dich also jemand triggert oder nervt, liegt es nicht an der Person, sondern an deinen Gefühlen und Gedanken dazu. Das heißt: DU entscheidest, ob du schlechte Laune wegen deinem “blöden Arbeitgeber” hast oder nicht. Du entscheidest, wie dein Leben ist und sich anfühlt.

Ich darf scheitern

Was hat das Thema „Schuld“ oder “blöder Arbeitgeber” nun damit zu tun, dass ich meine Realität selbst baue? In dem Moment, in dem ich die Verantwortung für meine Gefühle nach außen abgebe, verliere ich. Ich verliere das Steuer, mit dem ich mein Leben lenke. Ich verliere buchstäblich meinen Verstand, gehe in die sogenannte „Opferrolle“, aus der mich niemand retten kann. Ich verliere die Möglichkeit, die Situation zu ändern.

„Mir geht es schlecht/Ich ärgere mich, weil xyz bestimmte Dinge macht.“ Wir gehen in die Ohnmacht. Und früher, in der Kindheit, war das ja auch angemessen. Aber es ist nicht mehr aktuell. Es ist ein Relikt aus der Kindheit. Und wenn ich heute noch so argumentiere, lasse ich mir von meinen eigenen Glaubenssätzen das Gehirn waschen. Und gebe Verantwortung ab. Das sind unsere infantilen Muster.

Wie gut, dass ICH das jetzt endlich begriffen habe.

Und? Lebe ich schon mein selbst gebautes Leben?

Ja? Wie sieht das aus?

Nein? Wieso das denn nicht? Ich habe doch alles verstanden jetzt?

Tja, ich bin auch „nur“ ein Mensch, mit meinen eigenen Glaubenssätzen und Blockaden. Und das ist auch gut so. Ich nehme mich darin, so gut es geht, an – ich liebe mich darin. Ich versuche es – mit Mitgefühl. Ich darf immer wieder dieselben idiotischen Fehler und Muster leben, vielleicht wird es mir dann ja irgendwann zu blöd. 😉

Ich darf an meinen Zielen scheitern. Und das ist gar nicht mal so schlimm, wie wir das in der Schule konditioniert bekommen haben. Leben ist scheitern. Und erfolgreich sein. Und dass wir als Gesellschaft das Negative ausklammern und uns abklemmen wollen, ist auch wieder nur eine Konditionierung, die nichts mit dem zu tun hat, was das Leben eigentlich sein soll: Ein lebendiges Konglomerat an allen möglichen Gefühlen, Visionen, Begegnungen und Erfahrungen. Der volle Farb-Tuschkasten.

Negative Gefühle sind dasselbe wie positive Gefühle – nur mit einem anderen Vorzeichen. Das ist etwas, was ich in einer sehr überzeugenden Tiefe erfahre.

Deswegen werde ich den Teufel tun und mich auf Zwang optimieren. Das setzt nur einen weiteren Trauma-Kreislauf in Gang: „Ich muss mich ändern. Ich bin nicht gut so.“

Und ich glaube, ich habe die stille, aber sehr greifbare Vision: Die schadhaften Muster, die fallen bald von selber ab. 

Wenn ich die Muster lange genug dabei beobachtet habe, mich zu boykottieren. Wenn ich genau sehe, dass sie immer wieder dieselbe oder nervige oder schmerzhafte Situation in meinem Leben produzieren. Wenn ich den Persönlichkeitsanteil in mir, der diese Muster produziert, nah genug ans Herz genommen habe und Mitgefühl entwickelt habe.

Und wenn ich das tue, passiert Folgendes:

Hinter den Mustern und Glaubenssätzen sehe ich regelmäßig einen großen Teil meiner Selbst schillern. Er ist viel größer und ganzer, als ich mich im normalen Alltag fühle. Das ist wunderschön und fühlt sich an, wie nachhause kommen – zu mir selbst.

Hier bin ich ein frei fühlender Mensch, pur, ohne Konditionierungen, verbunden mit mir und meinen Gefühlen, verbunden mit meinem Herzen. Und hier – aus meiner Mitte – fühle ich, kann ich mir in meiner Realität alles aufbauen, wie es für mich richtig ist.

Fazit – Erkenne dich selbst

Wir sind komplexe Wesen. Das Leben ist komplex und unendlich mystisch – wenn wir dies zulassen. Wenn wir den Blick hinter den Horizont, hinter die Bühne werfen. Die Bühne des täglichen Lebens, des Alltags, oder wie auch immer man es nennen möchte. Den Blick hinter das, was uns als total logisch und klar vorkommt.

Und für mich ist auch wichtig, dass es okay ist, sich immer wieder dabei zu ertappen, wie man nicht selbst an seinem Steuer sitzt und Verantwortung nach außen abgibt. Es ist okay, zu bemerken, dass man wieder und wieder dieselben Gedankenschleifen durchläuft – mit denselben Gefühlen, aber mit unterschiedlichen Protagonisten und an unterschiedlichen Orten. Es ist okay.

Ich bin nur immer wieder froh, dass ich das Bewusstsein darüber habe, DASS ich es tue. Denn dadurch habe ich in den letzten Jahren bemerkt, dass sich wiederholende Muster weniger stark aktiviert werden. Dass ich nicht mehr auf jeden kritischen Blick von irgendeiner Person in den Glaubenssatz „du bist nicht toll genug“ o.ä. einsteigen muss. 

Ich kann mich dann meistens mittlerweile zurücklehnen und das beobachten, was der Satz macht. Und am Ende komme ich mittlerweile mit einem tief empfundenen Lächeln und einer Hand auf meinem Herzen aus diesem Prozess heraus. Und ich bin in demütiger, tiefer Dankbarkeit, dass mir das Leben meinen Spiegel zeigt.

Ich träume in letzter Zeit immer öfter. Gar nicht so fokussiert. Ich gebe mich meinem Herzen hin und schaue, welche Sehnsucht mich trägt. Es fühlt sich sehr leicht und warm an.

Und damit lebe ich genau das: Architekt meiner Realität zu sein.

Quellen:

1 https://www.spektrum.de/news/unsere-inneren-universen/1696550

Wenn dir das gefallen hat und du eine Resonanz dazu spürst: Der Artikel “Warum Selbstverantwortung so sexy ist” beschäftigt sich mit dem selben Themenfeld und folgt in Kürze.

Autor

  • Jenny ist Musikerin, entdeckt aus ihrem Headquartier in Leipzig die Welt und sorgt neben gutem Marketing für gute Stimmung im Citizen Circle Team.