Freiheit wär‘ viel lustiger – eine sehr persönliche Geschichte

Dies ist der persönlichste Artikel, den ich je geschrieben habe. Es fällt mir nicht leicht, aber es muss raus.

„Freiheit wär viel lustiger“ – Über diesen Satz bin ich im Herbst 2011 gestolpert, einer Zeit, in der ich extrem unglücklich und unzufrieden mit meiner Lebenssituation war. Der kurze Satz klang damals für mich irgendwie wie der erste zarte Ansatz einer Lösung.

Meine Suche nach mehr Zufriedenheit war jedoch recht diffus und planlos und lief zu diesem Zeitpunkt auch nur in meinem Kopf ab.

Ohne es wirklich zu wissen, war ich damals wohl bereits auf der Suche nach meiner Leidenschaft – meinem Weg. Aber das war ein unterbewusster Prozess, der irgendwie durch diverse Ereignisse ins rollen kam.

Ich war unzufrieden und unglücklich…

Um zu erklären, woher meine Unzufriedenheit kam, muss ich zuerst einige Jahre zurückspulen…

Nach meinem Abitur im Jahr 2000 wusste ich nicht so richtig, was ich eigentlich studieren sollte. Meine Interessen lagen mit 19 Jahren eher im Bereich „Spaß haben und Feiern“ und leider gab es dafür kein Studienfach.

Nicht aussergewöhnlich mit 19. Aber irgendetwas muss man ja machen. Der sanfte Druck war da, eine Entscheidung zu treffen.

Da ich immer schon eine kreative Ader hatte, gleichzeitig aber etwas „solides“ lernen wollte, kreisten meine Gedanken um die Studienfächer Kommunikationsdesign & Architektur. (Ich habe mit 13 Jahren bereits Grundrisse gezeichnet und Häuser für Freunde entworfen. Mit 16 habe ich meine erste Website gestaltet. Die Veranlagung war also für beides vorhanden.)

Ich begann letztendlich ein Designstudium, stellte aber schnell fest, dass sich meine Motivation in Grenzen hielt. Ich mochte das Zeichnen nicht. Alles war irgendwie unkonkret. Zudem gefiel mir die Hochschule nicht.

Ich war unzufrieden, brach nach einem Semester bereits ab und arbeitete das restliche Jahr an einer Tankstelle. Eine Zeit, die ich trotz 5,80 Euro die Stunde nicht missen möchte. 8 Stunden Nachtschicht an der ‚Tanke‘ und ein relativ entspanntes Leben.

Das nächste Wintersemester rückte näher…

…und ein neues Studium musste her. Damals hatte ich noch keine Überlegungen daran verschwendet, es einfach einmal ohne Studium zu versuchen und mein eigenes Ding zu machen.

Für mich war klar: Ein Studium muss sein! Ich entscheid mich also für Architektur und begann im Herbst 2002 das Studium.

Dieses Mal hatte ich mehr Glück. Die Kurse machten Spass, die Uni und meine Kommilitonen gefielen mir. Ich zog das Studium durch. Während des Studiums verbrachte ich zwei Semester in den USA und arbeitete dort in einem Architekturbüro. An den Wochenenden reiste ich. Eine tolle Zeit!

Meine Reiselust wurde in dieser Zeit immer größer. Die Semesterferien nutzte ich daher in der restlichen Studienzeit immer zum Reisen.

(am Strand von Santa Monica bei Los Angeles im Jahr 2005)

In dieser Zeit wurde ich endgültig vom Reisefieber erfasst.

Nach meinem Architekturabschluss im Januar 2007 begab ich mich auf Jobsuche und fand schnell einen recht guten Job in einem Architekturbüro in Köln. Dort arbeitete ich daraufhin über 2 Jahre. Meine Zufriedenheit war anfänglich groß. Das erste Jahr dort war sehr gut.

Doch danach sank die Motivation von Monat zu Monat, bis sie 2009 einen Tiefpunkt erreicht hatte. Ich fühlte mich gefangen. Das Geld stimmte nicht. Alles stank nach Knast. Als ich dann für einige Monate in das Büro nach Moskau versetzt werden sollte, kündigte ich.

Klar, Moskau wäre wieder die Chance gewesen, ins Ausland zu gehen. Aber in ein Land zu ziehen, in dem deine Menschenwürde so massiv mit Füßen getreten wird, kam für mich nicht in Frage. Also verlies ich den Job und schaute mich nach Alternativen um.

Damals dachte ich, dass meine Unzufriedenheit in direktem Zusammenhang mit meinem recht kleinen Gehalt von (2500,- Euro brutto) stehen würde. Ich war davon überzeugt, dass mehr Geld auch mehr Zufriedenheit bringen würde. Und da man als Architekt nun einmal nicht so gut verdient, kam ich auf die Idee, ein Aufbaustudium im Bereich Projektmanagement im Bauwesen zu absolvieren.

Ich bewarb mich und wurde genommen. Im Herbst 2009 sollte mein Aufbaustudium in Berlin beginnen. Die restliche Zeit überbrückte ich mit einem Auslandsaufenthalt in China, wo ich ebenfalls für ein Architekturbüro tätig war. Die Zeit in China war fantastisch. Nach 6 Monaten kehrte ich dann nach Deutschland zurück, und begann das neue Studium.

Das Studium war trocken. Da der Lernstoff aber relativ unanstrengend war und wir eine spannende, internationale Truppe waren, hatte ich eine gute Zeit. Meine Kommilitonen stammten aus aller Welt und ich habe viel dazu gelernt, was das gegenseitige Verständnis für andere Kuturen angeht.

Das dritte Semester fand obligatorisch in Helsinki statt – also wieder ein Auslandsaufenthalt. Ein Winter in Finnland. Kalt, aber spannend! Während ich also in Finnland an meinem Masterabschluss bastelte und jeden zweiten Tag zum Rodeln ging, geschah zu Hause etwas, dass mich an diesem Punkt völlig aus der Bahn geworfen hat und mein Leben, so wie es heute ist, vermutlich mitunter am stärksten beeinflusst hat.

Meine Schwester verunglückte schwer bei einem Autounfall und lag fortan im Koma – ihre Aussichten äußerst düster. Ein Schock, den sicher niemand auch nur ansatzweise nachvollziehen kann, der nicht schon einmal etwas ähnlich Schreckliches erlebt hat.

Die Endlichkeit des Lebens wird dir mit solch einer Wucht um die Ohren geballert, dass du erst einmal für eine ganze Weile keinen klaren Gedanken mehr fassen kannst.

Ich verbrachte viel Zeit in Deutschland, schaffte es aber trotzdem irgendwie, das Studium in Helsinki erfolgreich abzuschliessen. Gedanklich war ich in dieser Zeit nicht viel in Finnland. Geistig in Deutschland und physisch irgendwo in einer Air-Berlin Maschine zwischen Helsinki und Düsseldorf.

Im Nachhinein bereue ich sehr, das Studium nicht komplett für ein Semester ausgesetzt zu haben, um rund um die Uhr bei der Familie zu bleiben. Das Studium hätte ich auch später zu Ende bringen können. Aber ich tat es nicht, verkroch mich streckenweise in meinem eigenen Schneckenhaus und tröstete mich mit finnischem Wodka. Die Zeit ist unumkehrbar und ich kann es nicht ändern.

(beim Skilanglauf in einem Park bei Helsinki)

Es wurde ernst

Nach meiner Rückkehr im Frühjahr 2011 wurde es dann ernst! Nun musste wieder ein Job her. Ich hatte neben meinem Abschluss als Diplom-Ingenieur (Architektur) zusätzlich einen „Master in Construction and Real Estate Management“. Ein gut bezahlter Job war mir mit diesem Abschluss absolut sicher.

Ich bewarb mich hier und dort und bekam schnell einen festen Job bei einem großen Unternehmen für Projektmanagement. Mein Einstiegsgehalt war höher als mein Architektengehalt im alten Job nach 2 Jahren. Finanziell konnte ich mich nicht beklagen. Ich war wieder voll ins Hamsterrad eingestiegen, und es war nun an der Zeit, loszutreten.

Mein Arbeitsbeginn war zugleich die Zeit, in der meine Schwester endgültig von uns ging. Heute weiß ich nicht mehr, wie ich das alles gleichzeitig bewältigt habe. Es muss Verdrängung gewesen sein. Aber irgendwie musste es weitergehen. Ich konzentrierte mich auf den Job und zog es durch. Ich wollte es mir und der Welt beweisen, dass ich es ‚zu etwas bringen‘ kann.

In meinem alten Job als Architekt kam ich oft im Schlabberpulli ins Büro.  Nun war es aber an der Zeit, Krawattenknoten zu lernen.

Jeden Tag ins frisch gebügelte Hemd schlüpfen und das Firmen-Blackberry eingepackt. Ich war am Anfang tatsächlich stolz auf dieses doofe Firmenhandy – das ist mir im Nachhinein echt peinlich.

6 Monate Probezeit brachte ich irgendwie hinter mich. Der Job langweilte mich bereits nach dem ersten Monat zu Tode. Ich fühlte mich in der großen Firma wie ein Beamter. Oft beendete ich meine Aufgaben schon Mittags und musste den Rest des Tages irgendwie beschäftigt aussehen. Ich nahm jede Schulung mit, die mir angeboten wurde, um nicht von der Langeweile erdrückt zu werden.

Nach einer Weile ertrug ich diesen Zustand nicht mehr und begann, während der Arbeit im Internet zu surfen. Es wurde mir zunehmend egal, ob ich dabei erwischt werde. Ich wollte mich mit Dingen beschäftigen, die mich begeistern. Und ich fand auch schnell ein Thema, das meine volle Begeisterung hatte: ortsunabhängiges Arbeiten.

Irgendwann in dieser Zeit stieß ich auf einen englischsprachigen Blog, in welchem es um Selbstständigkeit und ortsunabhängiges Arbeiten ging. Jemand erzählte davon, seine Leidenschaft zum Beruf zu machen und so viel reisen zu können, wie er wollte. Ich war angefixt und beschäftigte mich immer mehr mit dem Thema, saugte jeder Buch auf, das ich finden konnte.

Nach 6 Monaten Probezeit im neuen Job konnte ich dann das erste Mal einen Urlaub nehmen. Ich hatte das nötige Kleingeld für eine größere Reise und flog nach Südostasien. Wir reiste mit der gesamten Familie 2 Wochen lang nach Singapur und Bangkok und wir verbrachten einige Zeit am Strand. Im Anschluss flog ich noch eine Woche allein nach Australien weiter.

Der ganze Druck der letzten 6 Monate fiel von mir ab. Der Reisesüchtige in mir kam wieder zum Vorschein. Ich war in dieser Zeit so zufrieden, frei und entspannt wie lange nicht. Der Gedanke an meinen Job zu Hause war wie der Gedanke an ein Verlies, in welches ich für immer zurückkehren müsste – das Geld war mir an diesem Punkt egal.

Am 5. Januar 2012 saß ich im Flieger zurück nach Deutschland und beschloss, an meinem ersten Arbeitstag sofort die Kündigung einzureichen, mich selbstständig zu machen und meinen eigenen Weg zu gehen. Ich wusste noch nicht so recht, wie – aber ich wusste, dass alles andere nicht in Frage kommen würde.

Die restliche Zeit im Flieger verbrachte ich mit einem breiten Grinsen und einem unglaublichen Gefühl der Zufriedenheit über meine Entscheidung. 

Zwei Monate später war mein Blog geboren und ich begann meine Selbstständigkeit. Die Suche nach meiner Leidenschaft war bereits in vollem Gange, aber jetzt erst wurde mir das alles so richtig klar.

Das war meine Geschichte. Ich hoffe, dass Du dich an dem einen oder anderen Punkt wiederfinden konntest oder dass es dich in irgendeiner Form inspiriert hat. Über deinen Kommentar würde ich mich freuen.